Für die, die mehr wissen wollen...
Schloss Rheinsberg als „Musenhof“ – irgendwie schonmal gehört. Aber was hat das eigentlich zu bedeuten?
Die musisch-künstlerisch interessierten und begabten Prinzen Friedrich und Heinrich haben auf ihre eigene Art und Weise das kulturelle Lebens in Rheinsberg geprägt. Friedrich durch seine Hofkapelle – Heinrich durch den Bau von Schloss- und Heckentheater. Das Feiern lag beiden.
Die Ausstellung zeigt auf, wie Theater im Barock ausgesehen haben und technisch funktionierten. Entdecken Sie die Vorbilder für das Schlosstheater und seine Stellung im höfischen Leben jener Zeit.
Nehmen Sie sich Zeit. Tauchen Sie ein.
Von der Regenmaschine zum Theaterdonner
Im Theater haben Musik und Text, Gesang und Darstellung einen besonderen Ort, in dem durch Verabredung und mit allerlei technischen Kunstgriffen die Alltagsrealität außer Kraft gesetzt wird. Anstelle dessen wird eine andere, gestaltete und bedeutsame Bühnenwirklichkeit inthronisiert.
Im Barock bedeutete Theater eine Repräsentation herrschaftlicher Macht:
Besondere Lichteffekte lassen die antiken Götter erstrahlen, wenn sie in der barocken Oper das glückliche Ende herbeiführen. Mechanische Geräte wie Wind- oder Regenmaschinen und Theaterdonner führen dem Publikum plastisch vor Ohren, wie die Opernhelden bis dahin bedrohliche Schicksalswendungen durchleben: Seestürme und Schiffbrüche, Kampf und Krieg.
Werfen wir also in der Ausstellung einen Blick in den Maschinenraum der Theaterillusion und machen uns ein Bild vom barocken Theater…
Die Exponate können gerne ausprobiert werden!
Heilige Gräber in Neuzelle und Stanzach
Machen wir einen Zeitsprung zurück ins 16. Jahrhundert. Um den Gläubigen den Leidensweg Christi nahezubringen errichtete man in jener Zeit in katholischen Kirchen sogenannte „Heilige Gräber“. Nur wenige sind bis heute erhalten, vorwiegend im Süden Deutschlands, in Österreich und der Schweiz; aber auch in Brandenburg: im Stift Neuzelle. Hier werden in Form eines barocken Kulissentheaters zentrale Szenen der Passionsgeschichte inszeniert.
Zu Ostern im Jahr 1751 wurde dieses Heilige Grab erstmals aufgebaut: Der Anblick verzauberte die Landbewohner, die aus ihren nur notdürftig beleuchteten Katen in die hohe dunkle Kirche zum Heiligen Kreuz traten und die farbigen Bühnenbilder sahen, die mit über 100 Kerzen und Talglichtern in bunten, wassergefüllten Glaskugeln beleuchten.
Bühnentechnisch ist das Heilige Grab von Neuzelle bedeutend, weil es – wie in den Opernaufführungen der Barockzeit – mit wechselnden Bildern und Szenen aufwartet.
Joseph Felix Seifried bediente sich der Zentralperspektive und lehnte sich an die Entwürfe für Opern von Sebastiano Serlio (1475-1554) und Giuseppe Galli da Bibiena (1696-1757) an. Die Neuzeller Passionsdarstellungen vom Heiligen Grab sind im Museum Himmlisches Theater im Stift Neuzelle zu sehen
Ein weiteres Beispiel ist das Heilige Grab von Stanzach in Tirol. Hier ein Nachbau.
(-> Flyer im Ständer).
Paradiesbaum in Patsch
Gleichfalls in Tirol, in Patsch, findet sich das Ostergrab aus der Pfarrkirche St. Donatus. Es wurde um 1770 vom Schönberger Pfarrer und Maler Johann Nepomuk Pfaundler (1723-1811) angefertigt und blieb nahezu vollständig erhalten. Zur originalen Ausstattung gehören 50 Glaskugeln verschiedener Größe, die jedes Jahr neu mit gefärbtem Wasser gefüllt und hinterleuchtet werden. Der Nachbau eines Paradies-Baumes zeigt, wie eine so beleuchtete Kulisse damals – ohne elektrisches Licht – wirken konnte und heute auch noch wirken kann. Diese speziellen „Bühneneffekte“ zielten durchaus auch auf die Schaulust des frommen Publikums.
Der Parabolspiegelscheinwerfer
Im Vergleich mit Menschen des 18. Jahrhunderts ist unser heutiges Sehvermögen aufgrund von beständiger Lichtüberreizung abgestumpft und blind für die intensive Wahrnehmung der Nuancen einer barocken Beleuchtung durch Kerzen oder Gaslampen.
Dabei ist das Licht ein wesentlicher Faktor für das Verständnis historischer Theateraufführungen. So wirkt zum Beispiel die Bühnenschminke in Verfilmungen barocker Szenen im Scheinwerferlicht eines modernen Filmstudios häufig übertrieben, während sie im Licht von Kerzen oder Öllampen einer historischen Bühnensituation lebendig und plastisch erscheint.
Das Theater ist oft ganz vorne dabei, neue technische Errungenschaften für seine Zwecke zu adaptieren. Innovationen entstanden oft aus dem militärischen Kontext. Ein Beispiel ist der Parabolspiegelscheinwerfer:
Er wurde von dem Kunsttischler und vielfältig naturwissenschaftlich ausgebildeten Erfinder und Konstrukteur Andreas Gärtner (1654-1727) entwickelt. Die Lichtquelle, die Gärtner verwendete, ist nicht überliefert – vermutlich nutzte er Hammeltalg, das besonders preiswert gewesen sein könnte, in einem Glaszylinder. Beim Funktionsmodell wird handelsübliches Lampenöl genutzt.
Der Parabolspiegelscheinwerfer fand unter anderem 1730 beim Zeithainer Lustlager Verwendung, einem riesigen Manöverspiel und Barockfest, bei dem auch Friedrich Wilhelm I. in Begleitung seines Sohnes Kronprinz Friedrich anwesend war.
(Siehe Prospekt von Friedrich)
Ein Musenhof kunstliebender Prinzen
Fürstenhöfe waren im 18. Jahrhundert neben der Kirche die wichtigsten Träger des Musik- und Kulturlebens. In den vier Jahren, die Friedrich als Kronprinz in Rheinsberg verbrachte, erdachte der spätere König von Preußen, was er später in Berlin und Potsdam verwirklichte: ein Haus für Apoll und die Musen. Hier versammelte er Komponisten und Musiker um sich und widmete sich der Philosophie und den Schönen Künsten. Laut Friedrich war die Zeit in Rheinsberg »die glücklichste Zeit seines Lebens«.
Sein ebenfalls kunstbegeisterter Bruder Heinrich, der 1744 das Schloss nach der Thronbesteigung Friedrichs geschenkt bekam, ließ das Heckentheater und das Rheinsberger Schosstheater errichten. Bis zu seinem Tod 1802 wurden hier zahlreiche Hof- und Volksfeste, Bälle, Maskeraden, und mehr als 80 Schauspiel- und Opernaufführungen veranstaltet.
Das Prospektkabinett in der Mitte der Ausstellung gibt anhand von Messbildern einen Eindruck davon, wie das Theater damals aussah. Stellen Sie sich in die Mitte der vier hängenden Prospekte und schauen Sie sich um – vergessen Sie nicht, auch den Blick an die Decke zu werfen.
Auf der Außenseite des Kabinetts entdecken Sie alte Zeichnungen vom Grundriss und andere historische Zeichnungen, Außenansichten vom Schloss, Theater sowie Heckentheater.
Kronprinz Friedrich und seine Hofkapelle in Rheinsberg (5)
1730 fand auf Einladung des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen zur Anbahnung politischer und strategischer Allianzen bei Riesa ein Lustlager statt: eines der größten europäischen Manöverspiele und ein legendäres Barockfest, das über ein Jahr andauerte. Neben 48 weiteren europäischen Fürsten nahm auch Friedrich Wilhelm I. mit dem Kronprinzen Friedrich von 31. Mai bis 28. Juni teil. Ausgerechnet hier kulminierte der Konflikt zwischen Vater und Sohn und führte zu Friedrichs Fluchtversuch vor dem quälend empfundenen Regiment des Vaters – er wollte zu seinem Großvater König Georg I. Der Fluchtversuch endete tragisch: Friedrich musste der Enthauptung seines Vertrauten Hans Hermann von Katte zusehen. Nach Jahren des Strafdienstes schenkte der König Friedrich als Zeichen der Versöhnung das Schloss Rheinsberg…
Trotz der Fluchtpläne wird das Zeithainer Lustlager den Kronprinzen Friedrich beeindruckt haben: Ein riesiges Festival mit Zeltlager für 4000 (höfische) Gäste und Zelten für 30.000 Soldaten, 12 Küchen und 100 Latrinen. In der Mitte des Festplatzes stand ein königlicher Pavillon, beleuchtet mit den Scheinwerfern von Gärtner, von denen berichtet wurde: »an jeder Pyramide war eine runde Leuchte der Größe nach wie ein großer Scheffel zu sehen, die inwendig mit einem Multiplikationsspiegel besetzt waren, welche die brennende Lampe in unzählige mal repräsentierte und eine ungemeine Repercussion des Lichtes ergab.« Es gab einen Riesenstollen, für den der Dresdner Baumeister Pöppelmann, der Architekt des Lustlagers, einen eigenen Ofen bauen ließ, und ein eigens errichtetes Operhaus in der Nähe von Meißen. Den Abschluss bildete eine ganz große Show: ein fünf Stunden dauerndes Feuerwerk an der Elbe vor 20.000 Menschen über einem in monatelanger Arbeit errichteten Panorama, vor dem eine illuminierte Flotte mit feuerspeienden Delphinen und Walfischen vorüberfuhr.
(siehe Parabolscheinwerfer)
Groß gefeiert wurde damals gerne: So gab es anlässlich der Verheiratung Friedrichs mit Elisabeth Christina von Braunschweig-Bevern 1733 im Schloss Salzdahlum (bei Wolfenbüttel) eine großes Fest mit Ballett, einer Pastorale sowie Querflötenspiel. Bei dieser Gelegenheit sah der 14 Jahre jüngere Bruder das Lustschloss mit Theater und großangelegtem Park inklusive Heckentheater – und ließ sich davon für Rheinsberg inspirieren.
Der musisch begabte Friedrich nahm schon ab 1728 heimlich Flötenunterricht bei Johann Joachim Quantz – zum Missfallen seines Vaters. Als er 1736 nach Rheinsberg zog, war eine seiner ersten Amtshandlungen der Aufbau einer Hofkapelle – nach dem Vorbild der Dresdner Hofkapelle, die er als 15-Jähriger kennen lernte. Aus den anfangs 17 Musikern wurde nach seinem Umzug ins Schloss Sanssouci Potsdam mehr als doppelt so viele. Unter ihnen waren sein Flötenlehrer Quantz, die Brüder Graun – beide auch Komponisten, geprägt in ihrer Arbeit vom älteren Komponisten Johann Adolf Hasse –, die Violinisten Georg und Franz Benda sowie der berühmte „Bach-Sohn“ Carl Philipp Emanuel Bach.
Heinrich, der Theaterliebhaber (6)
Von links nach rechts die bedeutendsten seiner Weggefährt*innen, die ihn im Laufe seines Lebens prägten:
Kurfürst Georg Ludwig des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg, später Georg I., König von Großbritannien, war Heinrichs und Friedrichs Großvater mütterlicherseits, zu dem Friedrich nach der Auseinandersetzung mit seinem Vater beim Zeithainer Lustlager flüchten wollte.
Zu drei seiner Schwestern hatte er ein inniges Verhältnis:
Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen (1709-1785) war Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth und Auftraggeberin des Bayreuther Markgräflichen Opernhauses, das Heinrich bewunderte.
Luise Ulrike von Preußen (1720-1782) wurde zur Königin von Schweden und wohnte im Schloss Drottningholm, dessen Schlosstheater das einzige noch mit originaler Bühnentechnik versehene Barocktheater überhaupt ist..
Auch zu seiner jüngsten Schwester Anna Amalie von Preußen, Äbtissin von Quedlinburg und Komponistin, hatte er ein gutes Verhältnis.
Mit seiner Frau Wilhelmine von Hessen-Kassel führte Heinrich jedoch eine unglückliche Ehe – er fühlte sich eher zu männlichen Mitgliedern seiner Entourage hingezogen. Die kinderlose Ehe zerbrach 1766.
Kurt Christoph von Schwerin und Karl Wilhelm Ferdinand zu Braunschweig waren wichtige Admirale von Heinrich im Schlesienkrieg.
Zu Zarin Katharina der Großen – gebürtige Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst – pflegte Heinrich seit seiner Jugend regelmäßigen Kontakt. Die Repräsentantin des aufgeklärten Absolutismus musizierte und las selbst gerne und viel und unterhielt rege Korrespondenzen mit Philosophen wie Voltaire oder Diderot; letzterer schrieb die erste Enzyklopädie der Welt. Katharina lud Heinrich des Öfteren nach Russland ein – so lernte er auch das Opernhaus in St. Petersburg kennen.
Friedrich von Steuben, preußischer Offizier und Generalinspekteur der amerikanischen Armee im Unabhängigkeitskrieg fragt Heinrich an, ob er bereit sei das Amt eines Staatsoberhauptes der gerade erst entstehenden Vereinigten Staaten zu übernehmen – was letztlich jedoch nicht zustande kam.
Der deutsche Forstmann Karl Wilhelm Hennert war Schlossbauinspektor in Rheinsberg. Gemeinsam mit Architekt Carl Gotthard Langhans, den Malern Fechhelm und Reclam sowie Hennert verwirklichte Heinrich seine Pläne für Stadt, Schloss und Park Rheinsberg.
Heinrich unterhielt einige Liebschaften mit Männern, darunter mit Generälen und Offizieren der preußischen Armee. Darunter Bogislav von Tauentzien, der ihn im Bayrischen Erbfolgekrieg als persönlicher Adjutanz begleitete. Christian Ludwig von Kaphengst kaufte Heinrich das Rittergut Meseberg in der Nähe von Rheinsberg, nachdem sein Bruder Friedrich ihn – aufgrund des unschicklichen Verhältnisses – aus Heinrichs nächster Umgebung entfernen wollte. Auch sein letzter Adjutant – der junge Graf Antoine LaRoche Aymon – war ein Liebhaber des alternden Prinzen.
Von Rheinsberg nach Berlin: Die Königliche Hofoper (5)
Gleich nachdem Friedrich 1740 König wurde, beauftragte er den Architekten Knobelsdorff mit der Planung der Königlichen Hofoper in Berlin – platziert an der Hauptachse der Stadt Unter den Linden. Sie wurde damit zum ersten freistehenden Opernhaus – nicht wie üblich innerhalb des Schlosskomplexes – und damit ein kultureller Ausdruck Friedrichs aufklärerischer Ideen. Die entstehende Dokumentation versammelt alte Grundrisse, Bilder und sonstigen Zeugnisse der Entwicklung der Königlichen Hofoper bis zur heutigen Staatsoper Unter den Linden.
Das Bühnen-Prospekt ist ein Original der Aufführung von der Oper „La Calisto“ von Francesco Cavalli in der Staatsoper. Ähnliche Prospekte können auch in Rheinsberg bei Opernaufführungen im Schlosstheater gehangen haben.
(siehe Dokumentations-Buch & Calisto-Projekt)